Eine Weltreise
Wieso nur zwei Monate weg?
Wir schreiben das Jahr 2018, es ist Januar. Ich komme gerade eben von einem drei wöchigen Roadtrip aus den Staaten zurück. Der Winter der als Arctic Attack in die Geschichtsbücher eingehen sollte, und wenn auch nur in meine persönlichen. In Chicago war die Durchschnittstemperatur um die -22°, und irgendwie hatten die Hotelmitarbeiter in Daytona Beach auch die Winterklamotten angezogen; im Hotel drin. Zum neuen Wochenstart sitze ich am Montag Morgen wieder an meinem Arbeitsplatz und denke mir, eigentlich wäre ein längerer Urlaub mal was ganz tolles, vielleicht ein Monat unbezahlt beantragen. Mit diesem Gedanken freunde ich mich unerwartet schnell an. So schnell, dass der Gedanke im Nu weitergesponnen wird. Zu diesem Zeitpunkt habe ich fünf Jahre das Schicksaal des aktuellen Arbeitgebers mitbestimmt, eine Ausbildung abgeschlossen und eine Beförderung entgegen genommen. Wieso möchte ich also zwei Monate Urlaub machen, wenn ich theoretisch auf unbestimmte Zeit losziehen könnte, um die Welt zu entdecken?
Dieser verrückte Gedanke manifestiert sich über die Wochen immer mehr in meinen Hirnwindungen. Ich lese Blogs zu Weltreisen, überlege mir was ich vorstellen könnte zu besuchen, in welcher Form diese Reise stattfinden sollte, wieviel Geld dazu notwendig wäre. Diese (w)irre Idee entwickelt sich immer mehr zu einem Lebenstraum, nicht etwas, was ich gerne tun würde, sondern etwas, dass ich machen muss.
Make friends with change
Leider spielt das Leben nicht immer so, wie man sich das wünscht und Pläne sind da, um geändert zu werden. Private Schicksalsschläge veranlassen mich dazu, diese Auszeit bis auf weiteres nach hinten zu verschieben. Im November 2019 kündige ich letztendlich meinen Job und buche ein One-Way Ticket nach Costa Rica, Abflug Mitte April 2020. Nun muss ich vermutlich niemandem erzählen, was im Februar diesen Jahres auf die Welt zukam. Corona hält die Welt in Atem und macht Reisen um ein vielfaches komplizierter, in den ersten Monaten ist unklar, wie sich der Virus entwickeln wird. Wie es der Zufall will ergibt sich bei meinem immer-noch Arbeitgeber eine Opportunität, mir wird der Posten des Projektmanagers angeboten, ein Projekt, das ein Jahr dauern wird. Nach ausgiebigem hin- und her überlegen entscheide ich mich dazu, das Angebot anzunehmen. Die Reise wird erneut verschoben, geplant auf April 2021.
Das Projekt benötigt Nachbetreuung und die Corona Situation ist noch immer ungewiss. Was mich nach über einem Jahr erneut dazu veranlasst, die Option zu ergreifen, dem Arbeitgeber länger treu ergeben zu bleiben. Im Verlauf des Jahres scheint sich die weltweite Situation endlich zu entspannen. Mein 1-Monats Trip nach Spanien, der komplett mit Überstunden abgewickelt wurde, bestätigt dies eindrücklich. Reisen ist wieder möglich. Sicher, so Mancher hat sich von Corona nicht einschüchtern lassen und war in der Hochphase des Virus unterwegs. Ich bin tatsächlich nicht traurig, die von Home Office geprägte Zeit in der Schweiz und mit einem Einkommen verbracht zu haben.
2022 – es geht los
November 2021, ich kündige erneut. Am 12. April 2022 ist mein letzter Arbeitstag. Statt um die sechs Jahre wurden es dann 8.5, von welchen ich keinen Tag bereue. Die Verlängerung des Vertrags war letztendlich eine win-win Situation für alle beteiligten Parteien. Der letzte Arbeitstag fühlt sich dann doch etwas komisch an, nach so vielen Jahren der Planung und des Ideen Sammelns, sich informieren und drüber lesen, endlich zum Punkt zu kommen, die lang herbeigesehnte Auszeit zu starten.
Statt nach Costa Rica startet die Reise nun in Vancouver Kanada. Spontan geht die Reise mit dem guten Roger los, der mich auf dem Road Trip bis nach San Francisco begleiten wird, so der Plan. Von dort fliegt Roger zurück in die Schweiz und mein Flug geht etwas später nach Cancun Mexico, wo der Solo-Trip ins ungewisse losgehen wird.
Die Vorbereitungsphase der letzten Wochen habe ich tatsächlich etwas unterschätzt. Wohnung untervermieten, Auto verkaufen, mein nicht mehr benötigtes privates Zeug verkaufen oder andernfalls bei Freunden unterstellen. Mich von x Leuten verabschieden. Ja gefühlt ist jeder Tag ein Verabschiedungstag. Von Freunden, von meiner Wohnung, von meinem Auto, selbst von der Kassiererin im Supermarkt. Ich bin gut im Zeitplan und freu mich aber aufgrund der ewigen Verabschiedung und auch, weil meine Wohnung inzwischen nicht mehr sonderlich wohnlich ist und eher einem grossen Durcheinander gleicht, nun endlich die Reise zu starten.
In wenigen Tagen wird sich mein Hab und Gut auf einen gut gefüllten Rucksack beschränken. Belohnt werde ich mit einer grenzenlosen Freiheit, die ich in einer solchen Form noch nie erlebt haben dürfte. Zumindest ist das die romantisierte Vorstellung dessen, was kommen mag. Das Reisen selbst ist bei einer Reise selten der erstrebenswerte Moment, aber die Orte und Menschen an den neuen Orten, machen die Reise-Strapazen hoffentlich mehr als nur wett.