Busan – Tag 9 – 15
Ab nach „Hause“
Der Weg zurück vom BIFF Square war richtig angenehm. Die U-Bahn ist kaum gefüllt, genau wie die zugehörigen Stationen. Kurz vor Mitternacht erreiche ich meine Behausung in Haeundae. Der Plan war klar: Bayern spielt um 21 Uhr Champions-League, das würde ich gerne verfolgen. Am Abend zuvor versprach mir der Koreaner in der Sport-Bar meines Vertrauens, dass er das Spiel mit Sicherheit übertragen wird. Mehrmals habe ich nachgefragt und mich versichert, ob er sich bewusst sei, dass das Spiel erst um 04:00 Uhr Morgens statt finden wird. Das hat ihn nicht interessiert, seine Meinung war unumstößlich, die Bar wird geöffnet sein, ich werde mir das Spiel bei ihm selbstverständlich ansehen können. Mein einziges Problem war also: Wie bleibe ich die nächsten vier Stunden wach?
Vor dem Guesthouse
Vor dem Guesthouse ist überraschend viel los. Bislang war da nie auch nur eine Menschenseele, jetzt wimmelt es von Leuten; und das um Mitternacht rum. Nur logisch, dass ich hier mein Glück versuche. Auf meine Frage, wer denn nun mit mir bis um vier Uhr wach bleiben würde, haben überraschenderweise alle Anwesenden mit einem ja geantwortet. Von dem guten halben Dutzend Leuten haben es immerhin noch zwei bis zum bitteren Ende ausgehalten. Zu Fuss gehen wir also zur Bar, die mit Sicherheit das Spiel zeigen wird. Hätte sie eventuell auch, wäre sie geöffnet gewesen. Die Main-Street ist komplett zu. Klar, mitten in der Woche, ausserhalb der High-Season durchaus verständlich. So klar war das für den Barkeeper am Vortag leider nicht. Auf dem Rückweg lade ich die beiden Mitstreiter zu einem Big Mac ein. Hätte ich gemacht, wenn man beim McDonalds kurz nach vier noch sowas kriegen würde. Statt dessen serviert man dort um diese Zeit nur noch Frühstück. Wie aber jeder weiss: Das „Frühstück“ beim Restaurant mit dem grossen gelben M überzeugt niemanden. Wo wir aber schonmal da sind, verköstigen wir uns dennoch mit einem Egg McMuffin.
Die Mitstreiter
Die Champions-League Partie verfolge ich letztendlich über den Live Ticker, Geo-Blocking sei Dank. Mittlerweile kenne ich meine beiden Begleiter besser. Mauro stammt aus El Salvador und ist Englisch Lehrer nahe Bejing in China. Da er sein Visa erneuern muss, wartet er in Korea. Joann stammt aus Neukaledonien und spricht glücklicherweise ebenfalls Englisch. Er kennt Scott, den Manager vom Guesthouse, noch aus ihren Tagen zusammen in Australien. Im Gegensatz zu Mauro will er in Busan bleiben und hier sein Glück suchen.
Fussball Irrsinn
Das Spiel verläuft mässig, es steht noch immer 0-0. Ich klage über das Ergebnis und reiche Joann das Telefon, damit der sich selbst beim Live Ticker davon überzeugt. Worauf er mir sagt, dass es doch 1-0 für Bayern stehen würde. Natürlich widerspreche ich, bis er mir das Ergebnis vor die Nase hält: Tatsächlich haben die Münchner gerade in diesem Moment ein Tor geschossen – erfreulich. Es gibt tatsächlich einen Grund wieso ich das hier überhaupt erwähne, Fußballergebnisse zählen nicht unbedingt zu den bevorzugten Reise-Berichten. Eine gute Weile später beklage ich mich erneut, es steht erst 1:0, ein knappes Ergebnis. Joann meint, ich soll ihm das Telefon doch nochmal rüber reichen, klappt ja vielleicht nochmal. Natürlich lasse ich nichts unversucht, meinem Team zu helfen, und händige das Handy rüber; ohne wirklich daran zu glauben. Doch eine Minute später zeigt der Live-Ticker das 2:0 an. Ungläubig schauen wir uns alle an. Kurz vor Schluss, in der 90sten Minute, reiche ich ihm das Telefon nochmal. Nur um sicherzustellen, dass seine Magie jetzt vorbei ist, sofern sie je bestanden hat. Thomas Müller macht in diesem Moment das 3:0. Dieser Abend hatte eine unerwartete Pointe im Angebot. Lachend verabschieden wir uns in Richtung Schlafgemach. Immer mit dem Wissen: Sei Dir stets über die dunkle Magie einiger Neukaledoniern Bewusst.
Kimchee Guesthouse
Mein gemietetes Zimmer im Kimchee Guesthouse bietet alle Annehmlichkeiten, die man sich wünschen mag. Eigenes Bad, Klimaanlage, bequemes Bett. Entsprechend gut gelaunt mache ich mich am nächsten Morgen auf in den Aufenthaltsraum gleich beim Eingang. Yoann schlürft bereits einen Kaffee. Da wir beide noch nicht gegessen haben, gehen wir spontan mit Scott ins Restaurant gegenüber. Typisch koreanisches Gericht mit Fisch und, wie immer, unzähligen Side-Dishes.
Typhoon
In den Folgetagen lerne ich verschiedenste unterschiedliche Charaktere im Kimchee kennen. Da wäre Ege, ein Mitte zwanziger Türke. Er versucht seinen Reisekosten mittels Verkauf von selbstgemachten Armbändchen quer zu finanzieren; ein Business das eher moderat läuft. Bader gilt im Kimchee gemeinhin als Frauen-Magnet und macht diesem Bild stets alle Ehre. Da wäre noch der Engländer Alex, grosser Arsenal und K-Pop Fan. Hätte bis zu diesem Zeitpunkt nicht für möglich gehalten, dass diese Kombination überhaupt möglich ist. Immerhin habe ich durch ihn etwas Einsicht in die koreanische Pop-Kultur erhalten. Dank wütendem Typhoon über die nächsten zwei Tage war auch genügend Zeit, mich ausgiebig mit den „Insassen“ zu beschäftigen. Zudem lerne ich, dass ein Schirm mit einem schmalen Preisschild selten länger als 25 Sekunden einem ausgewachsenen Typhoon standhält. Das Guesthouse fühlt sich nach dieser Zeit etwas an wie ein Big Brother Haus, nur ohne Kameras und End-Gewinn gibt es auch keinen. Dafür Liebesprobleme und damit verbundene Emotionen einiger Jünglinge und unterschiedlichste Meinungen die aufeinander treffen. In anderen Worten: Grossartige Unterhaltung, viele neue Freunde.
Busan in (zu vielen) Details
Das Trio aus El Salvador, Neukaledonien und der Schweiz erkundet den Rest der Woche buchstäblich jede Ecke in Busan. Nach vier Tagen macht sich die Erkenntnis breit: Wir haben alles gesehen. Songdo Beach mit dem wenig beeindruckenden Skywalk. Der Strand wirkt etwas abgewrackt, als ob dessen Blütezeit in den 80er Jahren war und heute kaum mehr beachtet wird. Das Busan Cinema Center oder den Busan Tower bei Nacht war eindrücklicher. Gute 90 Minuten Busfahrt hat die Besichtigung des Oryukdo Skywalk auf sich genommen. Wobei „Skywalk“ hier an der Grenze einer Lüge steht. Gefühlte zwei Meter über die Klippe geht es hinaus; dass sowas überhaupt in Touri-Guides angepriesen wird, ist die eigentliche Sensation.
Abschied
Am Donnerstag Abend gönnen wir uns ein für mich letztes Korean BBQ. Bis auf Alex, der zu diesem Zeitpunkt todunglücklich war, weil er keine Konzerttickets seiner Lieblings-Band ergattern konnte, warten alle auf meinen Abreise Zeitpunkt. Dieser lag mit vier Uhr Morgens mitten in der Nacht, weswegen das gar nicht mal so selbstverständlich war. Die Flughafen Erfahrung danach bestätigt meinen Eindruck von Süd Korea bislang: Es gibt sicher offenere, anderen Nationen aufgeschlossenere Völker als die Koreaner; zumindest jene, die meinen Weg kreuzten. Wie so oft ist es nicht der Ort, der für die gute Stimmung zuständig ist, sondern vielmehr die herausragend sympathische Gesellschaft – in diesem Fall stammte die nur selten ursprünglich aus Korea.
Tag 6-8


